Tigo schrieb am 14.11.2004 17:09 Uhr:
Klappentext:
Psychostudie eines Massenmörders von der Kindheit bis zur Hinrichtung, die des Lagerkommandanten von Auschwitz. Nicht Bosheit oder angeborene Brutalität brachten ihn dazu, täglich unschuldige Menschen zu Tausenden zu vernichten, sondern ein ungeheuerliches Bewusstsein von Ehre, Gründlichkeit und Gehorsam gegenüber einem Staat und seinen Führern.
"Dieses Buch war sehr schwer zu schreiben. Als ich nach dem Nürnberger
Prozess davon hörte, dass Rudolf Höß im Gefängnis Notizen gemacht habe, bewarb ich mich darum, sie lesen zu können. Ich durfte sie in einem
speziellen Raum einsehen und brauchte ein Jahr dafür. Es war ein
schreckliches Jahr. Doch das Schlimmste an der Arbeit war, diesen Roman in der ersten Person Singular zu schreiben, womit ich eine größere
Authentizität erreichen wollte." Robert Merle
Meine Meinung:
Ein Buch, das seinem Leser sehr viel abverlangt. Selbst hartgesottene
Krimi-/Thrillerleser werden hier eine neue Kategorie an menschlicher
Perversion erfahren. Die Wirklichkeit des Dritten Reiches. In einem bigotten Elternhaus zu blindem Gehorsam erzogen, als sechszehnjähriger Junge bereits als Dragoner mit drei Verwundungen und Malaria aus dem Krieg heimgekehrt, im zivilen Leben ohne Chance und Perspektive, findet er endlich bei den Nationalsozialisten einen neuen Lebenssinn.
Emotionslos berichtet der Erzähler von seinen unvorstellbar grausamen Taten, die er selbst nicht in Ansätzen hinterfragt, denn letztlich hat er gelernt, dass ein Befehl auszuführen ist, nicht hinterfragt werden darf. In den Prozessen später beschreibt er seine Aufgabe in Auschwitz als "unangenehm", und sagt "Ich konnte mir nicht gestatten, gerührt zu sein. Ich hatte Befehle."
Ein Buch, das uns zeigt, wozu Menschen fähig sind, die zum blinden
Befehlsempfänger mutieren. Unfassbar, grauenhaft, und doch das Lesen mehr als wert.
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