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Der Junge im gestreiften Pyjama - John Boyne

Beitragvon grufti » 10. September 2008, 13:27

Ich möchte euch ein Buch vorstellen bzw. empfehlen, das ich von meiner Tochter zum Geburtstag geschenkt bekommen und im Urlaub am Strand von Lignano gelesen habe. Als ich mit dem Lesen fertig war, musste ich mich mit einem Hut auf dem Gesicht schlafend stellen, um meine verweinten Augen zu verbergen. Ich habe schon lange kein Buch mehr gelesen, das mich dermaßen erschüttert hat.

Auf dem Umschlagtext des Jugendbuches Der Junge im gestreiften Pyjama findet der Leser nicht - wie sonst üblich - eine Inhaltsangabe des Romans. Vielmehr soll der Leser die Lektüre völlig unvoreingenommen beginnen und die Geschichte durch die Augen des neunjährigen Helden Bruno erleben. Bruno wächst zu Beginn des zweiten Weltkrieges wohlbehütet und glücklich mit seiner Familie in Berlin auf. Doch dann muss er plötzlich an einen Ort namens „Aus-Wisch" umziehen, weil der „Furor" den Vater dort für eine wichtige Aufgabe vorgesehen hat. Bruno kann das nicht verstehen und hasst sein neues, graues Zuhause, das in einer öden Gegend liegt, wo keiner mit ihm spielt. Besonders schrecklich und rätselhaft ist der endlose Stacheldrahtzaun hinter seinem Haus, hinter dem Menschen in gestreiften Schlafanzügen in Baracken leben. Die Antworten, die der Junge auf seine Fragen nach den "Menschen hinter dem Zaun" erhält (Antwort des Vaters: "Das sind gar keine Menschen") bringen ihn auch nicht weiter. Dann lernt er auf einem seiner Spaziergänge den gleichaltrigen Schmuel kennen, der auf der anderen Seite des Zaunes lebt, einen gestreiften Pyjama trägt und schrecklich abgemagert ist. Heimlich trifft sich Bruno von nun an fast täglich mit Schmuel und es entwickelt sich eine Freundschaft, die nur ein tragisches Ende finden kann.

Konsequent erzählt der Ire John Boyne seinen Holocaust-Roman aus der kindlich-naiven Perspektive eines neunjährigen Jungen, der nicht nur vorgibt, nicht zu wissen, sondern der wirklich nichts weiß. Durch die Unwissenheit und die Unvoreingenommenheit des Kindes, die Reduziertheit des Blickwinkels und der Sprache schafft Boyne eine neue Art des Erzählens über den Holocaust aus der Perspektive der Täter (wobei auch Bruno ein Opfer des NS-Regimes ist). Gerade das Unausgesprochene macht diesen Roman so eindringlich und schafft eine intensive Atmosphäre, der sich der Leser nicht entziehen kann. Einige Passagen erinnern an Roberto Benignis tragikomischen Film Das Leben ist schön, in dem ein Vater seinem Sohn das Leben im KZ als großes Spiel erklärt. Auch Der Junge im gestreiften Pyjama wird zurzeit unter der Regie von Mark Herman verfilmt und soll Anfang 2008 in die Kinos kommen.

"Eine Fabel" lautet der Untertitel von John Boynes Buch -- und in diesem Sinne sollte man den Roman auch lesen und verstehen, der für Jugendliche ab 13 Jahren zu empfehlen ist. Ein ungewöhnliches Jugendbuch über den Holocaust, das auch Erwachsene tief beeindruckt und erschüttert.

Kurzbeschreibung
Der neunjährige Bruno weiß nichts von der Endlösung oder dem Holocaust. Er ist unberührt von den entsetzlichen Grausamkeiten, die sein Land dem europäischen Volk zufügt. Er weiß nur, dass man ihn von seinem gemütlichen Zuhause in Berlin in ein Haus verpflanzt hat, das in einer öden Gegend liegt, in der er nichts unternehmen kann und keiner mit ihm spielt. Bis er Schmuel kennenlernt, einen Jungen, der ein seltsam ähnliches Dasein auf der anderen Seite des angrenzenden Drahtzauns fristet und der, wie alle Menschen dort, einen gestreiften Pyjama trägt. Durch die Freundschaft mit Schmuel werden Bruno, dem unschuldigen Jungen, mit der Zeit die Augen geöffnet. Und während er erforscht, wovon er unwissentlich ein Teil ist, gerät er unvermeidlich in die Fänge des schrecklichen Geschehens.
grufti
 

Re: Der Junge im gestreiften Pyjama - John Boyne

Beitragvon SophieS » 10. September 2008, 14:36

Kann ich mir vorstellen, dass da die Tränen liefen.

Sehr berührend, schon allein deine Zusammenfassung. Das Buch werd ich mir vormerken!
Liebe Grüße, SophieS

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Re: Der Junge im gestreiften Pyjama - John Boyne

Beitragvon andrea1 » 11. September 2008, 07:36

Gänsehaut.beim.Lesen.des.Threads.bekommen.hat

Ich kann mir vorstellen, dass das Lesen über das schreckliche Geschehen aus einer anderen Sicht heraus bedrückend faszinierend ist - vielleicht werde ich es mir auch holen. Vorher möchte ich im Urlaub "Die Wohlgesinnten" von Jonathan Littell lesen - aus der Sicht eines Naziverbrechers.
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Re: Der Junge im gestreiften Pyjama - John Boyne

Beitragvon Tigo » 11. September 2008, 07:57

Das klingt sehr sehr gut und sehr berührend. Das muss ich mir mal als Tipp aufheben für Zeiten, in denen ich emotional etwas stabiler bin.

Andrea, den Tipp notiere ich mir auch gleich.

Kennt ihr Robert Merle "Der Tod ist mein Beruf"? Ich habe Monate (!!) gebraucht, bis ich das verdaut hatte.
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Re: Der Junge im gestreiften Pyjama - John Boyne

Beitragvon andrea1 » 11. September 2008, 07:59

Tigo hat geschrieben:Kennt ihr Robert Merle "Der Tod ist mein Beruf"? Ich habe Monate (!!) gebraucht, bis ich das verdaut hatte.


Nein - mach mal ein Thread dazu bitte auf. :))
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Re: Der Junge im gestreiften Pyjama - John Boyne

Beitragvon Tigo » 11. September 2008, 08:04

Gibt es schon seit ca. vier Jahren. :D

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Re: Der Junge im gestreiften Pyjama - John Boyne

Beitragvon andrea1 » 11. September 2008, 09:31

Danke grufti - danke Tigo :]
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