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Wibke Bruhns: Meines Vaters Land

Beitragvon Nina » 30. Juli 2007, 14:53

Rezension aus der Amazon-Redaktion:

"Als der Vater starb, war sie sechs. Wibke Bruhns, Jahrgang 1938, sagt von ihm und ihrer großen Familie: "Ich weiß, wer die Leute sind. Aber ich kenne sie nicht." Ihr Buch dokumentiert den Versuch einer Annäherung an jene, die ihr am nächsten waren.

Dabei kann sie sich auf reichhaltiges Quellenmaterial in Form von Tagebüchern, Briefen und Haushaltskladden stützen, denn beide Eltern entstammen traditionsbewussten Bürgerhäusern: Hans Georg -- HG genannt -- dem Halberstädter Handelshaus Klamroth, Else einem "Haus voller Herzlichkeit" in Wismar. Beide sind 1898 geboren und indem Bruhns ihre Geschichte(n) erzählt, blättert sie ein halbes Jahrhundert deutscher Geschichte auf.

Ihres Vaters Land erweist sich als eine untergegangene Welt, materiell wie mental, und die Rekonstruktion als ein "Puzzle-Spiel", das die Autorin und uns in ein Wechselbad der Gefühle stürzt: HG freut sich 1917 "kolossal, noch so viel Krieg mitmachen zu dürfen". HG gewinnt mit einem brillanten Auftritt Elses Familie für sich. Else leidet unter den zahlreichen Affären ihres Mannes. Else empört sich über die Reichskristallnacht, weil sie um Deutschlands Image fürchtet.

Bruhns macht kein Hehl aus ihrem Befremden ("Der spinnt." -- "Was geht bloß vor in diesen Männern?"), gleichzeitig hinterfragt sie schnelle Urteile: "Vorsicht! Was würde ich denn tun?" Das wirkt manchmal etwas pädagogisch, meistens aber sehr glaubhaft, auch dank des behutsam zupackenden Tons, in dem hier altdeutsche Bürgerherrlichkeit -- die Buddenbrooks lassen grüßen -- kommentiert wird.

Im Zweiten Weltkrieg kämpft HG in Russland, ist dann Abwehr-Offizier in Berlin und wird in das Hitler-Attentat vom 20. Juli verwickelt. Der Erbsenzähler und Schürzenjäger als heroischer Tyrannenmörder? "Da ist viel Platz in so einer Psyche", staunt die Tochter Jahrzehnte danach. Ganz erschlossen hat sich ihr das Vater-Land nicht, dennoch endet sie versöhnlich: "Ich habe von dir gelernt, wovor ich mich zu hüten habe... Ich danke dir."

Und wie viel Platz ist in so einem Buch! Bruhns gelingt eine ergreifende Geschichtsstunde aus persönlicher Betroffenheit, ohne die abgeklärte Attitüde des Berufshistorikers. Mit romanhafter Wucht beschwört sie Die Welt von gestern noch einmal herauf."


http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3 ... 41-6278437


Meine Meinung:

Brillant geschrieben - absolut lesenswert. Ich habe bis halb zwei heute Nacht gelesen, ich konnte das Buch nicht mehr weglegen. Das passiert mir sonst nur bei besonders spannenden Krimis.

Beeindruckend finde ich, wie gut Wibke Bruhns ihre Familiengeschichte zurückverfolgen kann, offenbar waren seit jeher alle Familienmitglieder den ganzen Tag mit Aufzeichnungen aller Art beschäftigt. Tagebücher, Briefe, Gesellschaftsbücher, Kindertagebücher usw. Es fehlt ihr nur ein Teil der Korrespondenz zwischen Mutter und Vater, die ihre Mutter offenbar vernichten musste, als der Vater ins Visier der Gestapo geriet und schließlich in Plötzensee am Galgen endete.
Viele Grüße von Nina!
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Nina
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