Anmelden    Registrieren
  • Autor
    Nachricht

Margrit Schiller - Es war ein harter Kampf ...

Beitragvon Tigo » 3. August 2007, 10:31

Tigo schrieb am 23.12.2004 11:43 Uhr:
Kurzbeschreibung des Spiegels:

Wie kam es, daß eine junge Frau Mitglied der RAF wurde, in den 70er Jahren Staatsfeind Nummer eins der Bundesrepublik? Margrit Schillers Leben war zuerst ganz typisch für ihre Generation: Protest gegen das Elternhaus, Rebellion gegen das spießige »Establishment«. Doch dann führte ihr Weg über die Studentenbewegung zur RAF, in die Illegalität und schließlich ins Gefängnis. Mit eindrucksvoller Ehrlichkeit erzählt Margrit Schiller von ihren Jahren in der RAF – vom Engagement, vom Kampf, aber auch vom Scheitern. »Eine kleine Perle, ein zeitgenössisches Fundstück, das man nicht ohne Erschütterung zu Ende liest. Spannend, dramaturgisch dicht, durchaus selbstkritisch und gut geschrieben.« (Der Spiegel)

Meine Meinung:

Ein sehr gutes, sehr bewegendes Buch, das einen sehr intensiven Einblick in das ganze Thema RAF anbietet. Genau so aber auch einen sicherlich guten (und wenig positiven) Eindruck vermittelt, wie "der Staat" in dieser Zeit zu handeln pflegte. Eine Medaille mit zwei sehr unterschiedlichen Seiten. Ein intensives Buch, für das man ein wenig Zeit und Ruhe aufbringen sollte - man wird es nicht bereuen!

Ich habe mich immer wieder beim Lesen gefragt - wo wäre ich zu dieser Zeit gewesen? Hätte auch mein Weg ähnlich verlaufen können, wenn ich nur zur "richtigen/falschen" Zeit am "richtigen/falschen" Ort gewesen wäre? Das Buch nimmt einem definitiv die Möglichkeit zum schnellen Aburteilen der erzählten Geschichte!
Bild
Benutzeravatar
Tigo
Real life - was ist das?
Real life - was ist das?
 
Beiträge: 16488
Registriert: 28. Juli 2007, 12:15
Wohnort: ... alles watte siehs is ... Oberhausen!

Re: Margrit Schiller - Es war ein harter Kampf ...

Beitragvon Camille » 3. August 2007, 10:31

camille schrieb am 09.03.2005 17:46 Uhr:
So, jetzt hab ich's durch und hier kurz meine Meinung:

Gefällt mir von der Aussage her besser als Inge Viett, Margrit Schiller sieht die Geschichte der RAF doch etwas skeptischer, gibt auch zu, dass sich Meinungen/Sichtweisen im Laufe der Zeit ändern (oder ist sie doch nur die ewige Zweiflerin? weiß ich nicht).

Erst beim Lesen von diesem Buch fiel mir auf, dass Inge Viett stark zum Glorifizieren neigt; eins fällt mir noch ein (gehört eigentlich zur Besprechung von Inge Vietts Buch): Bezeichnend bei Inge Viett ist die Stelle, als sie in einer Pariser Tiefgarage der Festnahme entgehen will und auf einen Polizisten schießt, der darauf querschnittsgelähmt ist. "Dann fiel ein Schuss." Nicht "ich habe geschossen".

Jetzt aber zu Margrit Schiller bzw. Thema RAF.
Ich habe vor etwa 15 Jahren das Buch "Der Baader-Meinhof-Komplex" gelesen, das war interessant und erstaunlich, weiter berührt hat es mich damals aber nicht.
Heute, schon etwas älter und vielleicht politisch ein wenig gereifter, löst die Lektüre über die damalige Zeit bei mir Erschütterung aus. Wenn ich mal von der Gewaltanwendung absehe, kämpfte die RAF ja im Grunde für eine bessere Gesellschaft, wie ich sie mir auch wünschen würde. Die Richtung Sozialismus/Kommunismus ist von der Ideologie her genau meine Richtung, die gesellschaftliche Durchführbarkeit ist eine andere Frage.
Erschrocken bin ich darüber, mit welcher Vehemenz und Brutalität der deutsche Staat dabei vorgegangen ist, dass Gesetze geändert wurden usw.
Natürlich immer vorausgesetzt, dass Margrit Schiller/Inge Viett hier eine Märchenbücher geschrieben haben.
Erstaunlich, wie lasch im Gegensatz dazu mit dem Problem "Neonazis" umgegangen wird, wie deren Grundrechte vehement verteidigt werden, wie lange Deutschland hier gebraucht hat, um endlich die Gefahr zu erkennen.

Das Buch ist auf alle Fälle lesenswert, allgemein das Thema RAF ist ein nicht aufgearbeitetes Kapitel deutscher Geschichte, mit dem man sich vielleicht einmal auseinandersetzen sollte.
Camille
 

Re: Margrit Schiller - Es war ein harter Kampf ...

Beitragvon Tigo » 3. August 2007, 10:31

Tigo schrieb am 09.03.2005 18:42 Uhr:
Camille, es freut mich, dass es bei Dir doch ähnliche Gedankengänge "freisetzt", wie bei mir. :)

Ich habe mich dabei oft gefragt, mit welcher Arroganz der Westen/die "alte BRD" auf die Stasigeschichten herabsieht, und es so strikt als menschenunwürdig verurteilt. Schaut man in der BRD-Geschichte bis in die 70er zu den RAF-Leuten zurück, dann war der Umgang mit sogenannten "Staatsfeinden" nichts anderes! Gut, das ist ein weites Feld, und in der DDR wurde man sicherlich schneller zum Staatsfeind, als man Hilfe sagen konnte, aber dennoch. Auch die BRD hat in Puncto menschenwürdiger Behandlung von Strafgefangenen keine so reine Weste, wie sie gern immer tut.
Bild
Benutzeravatar
Tigo
Real life - was ist das?
Real life - was ist das?
 
Beiträge: 16488
Registriert: 28. Juli 2007, 12:15
Wohnort: ... alles watte siehs is ... Oberhausen!

Re: Margrit Schiller - Es war ein harter Kampf ...

Beitragvon Walpurga » 3. August 2007, 10:32

Walpurga schrieb am 19.03.2005 23:47 Uhr:
Ich habe zwar die Biografien von Viett/Schiller nicht gelesen, wohl aber den Baader-Meinhof-Komplex.
Vor der Lektüre war die RAF für mich ganz einfach nur eine Gruppe von Terroristen, die Angst und Schrecken verbreitet haben. Ich habe als Kind die Entführung und Ermordung von Hanns-Martin Schleyer undSiegfried Buback und die Entführung der Landshut quasi "live" miterlebt. Ich habe am Radio in den Morgennachrichten mit Helmut Schmidt gelitten, der sich geweigert hatte, den Deutschen Staat sich erpressen zu lassen, und der durch seine Konsequenz die "Schuld" für den Tod eines Freundes tragen musste.

Dennoch habe ich nach der Lektüre des Buches gesehen, dass der Deutsche Staat in den Jahren davor sehr wenig demokratisch gehandelt hatte und somit den Nährboden für die Gruppe der RAF bereitete.

Auch ich habe mir die Frage gestellt, ob ich, als Unruhestifterin und Gerechtigkeitsfreundin nicht auch mich dieser Gruppe angeschlossen hätte. Aber wäre ich nicht zurückgeschreckt vor den Gewalttaten?

Eine schwierige Frage. Und für alle, die sich mit dieser oder ähnlichen Fällen und Fragen beschäftigen, nicht letzlich zu klären. Ist das doch alles nur graue Theorie. Vor allem aber sehen wir heute alle Geschehenisse aus vergangenen Zeiten mit dem geschichtlichen Hintergrundwissen der Zeit davor, der Zeit danach, den parallel verlaufenden Geschehenissen ...[color=red] [/size]
Viele Grüße - Walpurga
Nach dem Regen folgt die Sonne!
Benutzeravatar
Walpurga
Real life - was ist das?
Real life - was ist das?
 
Beiträge: 19029
Registriert: 29. Juli 2007, 19:09

Re: Margrit Schiller - Es war ein harter Kampf ...

Beitragvon Tigo » 3. August 2007, 10:32

Tigo schrieb am 19.03.2005 23:57 Uhr:
Walpurga, ich finde es sehr interessant, dass wir so ziemlich alle die gleichen Gedanken zu dem Thema haben. Heute - in der Rückschau, mit dem Wissen, wie das alles geendet hat.

Für mich war als Kind auch alles, was "rot" war irgendwie bedrohlich. Für mich waren die RAF-Leute nur fanatische Gewalttäter. Ich bin mit den Fahndungsplakaten einfach großgeworden, sie gehörten für mich fast zum Alltagsbild dazu! Wofür sie das taten, was sie damit bezwecken wollten, war mir nicht nur unbekannt, es war mir sicherlich auch einfach egal. Sie waren böse. Punkt.

Ohne die Methoden relativieren zu wollen (es geht so auf keinen Fall, völlig inakzeptabel), sehe ich heute viele Grautöne mehr.
Bild
Benutzeravatar
Tigo
Real life - was ist das?
Real life - was ist das?
 
Beiträge: 16488
Registriert: 28. Juli 2007, 12:15
Wohnort: ... alles watte siehs is ... Oberhausen!

Re: Margrit Schiller - Es war ein harter Kampf ...

Beitragvon Gytha » 3. August 2007, 10:32

Maxxi schrieb am 20.03.2005 08:06 Uhr:
camille schrieb am 09.03.2005 17:46 Uhr:
Erschrocken bin ich darüber, mit welcher Vehemenz und Brutalität der deutsche Staat dabei vorgegangen ist, dass Gesetze geändert wurden usw. [...] Erstaunlich, wie lasch im Gegensatz dazu mit dem Problem "Neonazis" umgegangen wird, wie deren Grundrechte vehement verteidigt werden, wie lange Deutschland hier gebraucht hat, um endlich die Gefahr zu erkennen.
[/quote]


Erstaunlich finde ich das nicht, nur erschreckend. Die RAF hatte sich meines Wissens (sorry, ich habe mich bislang nicht intensiv mit ihnen beschäftigt - vieles davon passierte einfach "vor meiner Zeit"...) hauptsächlich mit den "großen Tieren" in diesem Land angelegt, sie entführt und teilweise ermordet. Ich denke, die Gefahr um das eigene Wohlergehen (und das von Freunden?) war den gesetzgebenden Politikern in dem Moment einfach bewusster als wenn wieder ein Asylantenheim brennt oder ein Obdachloser tot geprügelt wird. Kurzsichtig gedacht... :-(

Lieben Gruß
Maxxi
Gruß
Gytha

-------------------
Bild
Die Berühmtheit mancher Zeitgenossen hängt mit der Blödheit der Bewunderer zusammen. (Heiner Geissler, dt. Politiker)
Benutzeravatar
Gytha
Gummibärchen Huhöfer-Steintz
 
Beiträge: 15548
Registriert: 27. Juli 2007, 22:42
Wohnort: OWL
Das Forum ist für mich: Das Wichtigste gleich nach dem Gatten und der Katzenbande

Ich pass immer auf euch auf.

Re: Margrit Schiller - Es war ein harter Kampf ...

Beitragvon Tigo » 3. August 2007, 10:33

Tigo schrieb am 20.03.2005 11:38 Uhr:
Maxxi, es war damals für die Politiker sicherlich auch noch ein Novum, sich mit staatsfeindlichen Gruppen auseinandersetzen zu müssen. Egal, was auch immer die RAF für "gute Ziele" auch vermeintlich verfolgte - der BRD gegenüber waren sie staatsfeindlich.

Da sollte man meinen, dass man heute damit anders umgehen könnte, man ist ja nicht mehr neu auf dem Gebiet. Andererseits leben wir nun einmal in einer Demokratie, die Meinungsfreiheit garantiert. Und so sehr es mich auch schmerzt, dass wir NPD-Aufmärsche schützen und bewachen - es ist Teil und Wesen unserer Demokratie, dies zuzulassen!

Die Grenzen sind hier sehr eng gesteckt, und so sehr es mir widerstrebt - ich möchte auch nicht zusehen müssen, wie die Braunen uns dazu treiben, von unseren (mir heiligen!) Grundsätzen der Demokratie abzuweichen. Eine gut funktionierende Demokratie muss in der Lage sein, mit solchen Vorkommnissen souverän umzugehen.
Bild
Benutzeravatar
Tigo
Real life - was ist das?
Real life - was ist das?
 
Beiträge: 16488
Registriert: 28. Juli 2007, 12:15
Wohnort: ... alles watte siehs is ... Oberhausen!

Re: Margrit Schiller - Es war ein harter Kampf ...

Beitragvon Gytha » 3. August 2007, 10:33

Maxxi schrieb am 20.03.2005 18:01 Uhr:
Tigo schrieb am 20.03.2005 11:38 Uhr:
Die Grenzen sind hier sehr eng gesteckt, und so sehr es mir widerstrebt - ich möchte auch nicht zusehen müssen, wie die Braunen uns dazu treiben, von unseren (mir heiligen!) Grundsätzen der Demokratie abzuweichen. Eine gut funktionierende Demokratie muss in der Lage sein, mit solchen Vorkommnissen souverän umzugehen.[/quote]


Ja, das sehe ich auch so! Verbote sind gut und nützlich, aber die Gedanken sind - oft zum Glück aber manchmal auch leider - frei! Und das ist erst einmal gut so! Was passiert, wenn man die Demokratie untergräbt, sieht man ja an den USA. Mir ist immer noch so präsent, wie Natalie von den Dixie Chicks ihre (zimlich emotionale und wenig respektvolle) Meinung gegenüber Bush kundtat. Egal, wie man darüber denkt, was daraufhin passierte, war eine Hexenjagd (öffentliche Plattenverbrennungen, Radiostationen durften ihre Lieder nicht mehr spielen etc. pp.). So etwas darf in einem Land, in dem die Meinungsfreiheit so hoch gehalten wird, eigentlich nicht passieren...

LG
Maxxi
Gruß
Gytha

-------------------
Bild
Die Berühmtheit mancher Zeitgenossen hängt mit der Blödheit der Bewunderer zusammen. (Heiner Geissler, dt. Politiker)
Benutzeravatar
Gytha
Gummibärchen Huhöfer-Steintz
 
Beiträge: 15548
Registriert: 27. Juli 2007, 22:42
Wohnort: OWL
Das Forum ist für mich: Das Wichtigste gleich nach dem Gatten und der Katzenbande

Ich pass immer auf euch auf.

Zurück zu Biografien

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 2 Gäste

cron